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Tag der Rituale: Gottesanbeterin und Dingo

Wie die Gottesanbeterin mit Ritualen zusammenhängt, wird wohl jedem*jeder schnell klar. Den Namen Gottesanbeterin oder auch "mantis religiosa" erhielt die einzige in Deutschland vorkommende Fangschrecke aufgrund der Haltung ihrer Fangarme. Doch trotz ihrer direkten Verbindung zum Gottesglauben ist das Insekt für die meisten Menschen eher abschreckend. Immerhin hat sie den Ruf, gnadenlos alles, was sich in ihren Fangarmen verirrt, bei lebendigem Leibe zu verspeisen. Darunter können schon auch mal die eigenen Kinder und der Partner sein. Diese passen nämlich perfekt ins Beuteschema und nach bzw. sogar schon während der erfolgreichen Paarung benötigt das deutlich größere Weibchen keinen komplett fitten Partner. Die Paarung funktioniert beispielsweise auch mit einem kopflosen Männchen. Insofern ist es für mich durchaus nachvollziehbar, dass man die Gottesanbeterin irgendwie gruselig findet. Zum Glück ist sie so klein, dass sie fast keinen anderen Tieren außer Insekten etwas anhaben kann. Und für alle, die es ganz schrecklich finden, dass die Gottesanbeterin ihre Beute vor dem Verspeisen nicht tötet: Man geht momentan davon aus, dass Insekten aufgrund ihres anderen Nervensystems kein Schmerzempfinden haben. Allerdings frage ich mich dann ernsthaft, wie sich der Tod einer Fliege anfühlt... Naja, wie dem auch sei, widmen wir uns etwas schöneren Dingen. Die Gottesanbeterin steht nämlich in der japanischen Kultur als Symbol für Wachsamkeit, Geduld und Beständigkeit, was sich sicherlich auf ihre Jagdtechnik zurückzuführen ist. Die Fangschrecke sitzt nämlich nahezu reglos und gut getarnt auf grünen Blättern und wartet bis sich andere naive Insekten nähern, um dann blitzschnell zuzuschlagen.

Nun denn, die Gottesanbeterin gehört scheinbar zu den wenigen Tieren, bei denen ich nichts wirklich Positives finden kann. Sie ist zwar sehr faszinierend, dennoch bleibt sie einfach gruselig.

Anders sieht es da mit dem australischen Dingo aus. Der Dingo ist ein Wildhund, der wahrscheinlich von eingeschleppten Haushunden abstammt, mittlerweile aber vollkommen unabhängig vom Menschen auf dem australischen Kontinent lebt. Generell hat der Dingo einen eher schlechten Ruf, weil er häufig für das Aussterben des Beutelwolfes und des Tasmanischen Teufels verantwortlich gemacht wird. Aus wissenschaftlicher Perspektive ist es heute aber wahrscheinlicher, dass diese beiden Arten nicht wegen des Dingos, sondern aufgrund einer Bevölkerungsexplosion ausgestorben sind. Zudem rissen Dingos häufig Schafe, der Einwohner*innen, weshalb ihnen unterstellt wurde aus Boshaftigkeit und nicht aus Hunger zu töten. Weil Dingos aber zeitgleich schlau und flink sind, waren sie schwer zu fangen. Man brachte sie aus diesem Grund auch mit dem Teufel in Verbindungen und der Fang oder die Tötung eines Dingos war allgemein prestigeträchtig. Bis heute verbindet man Dingos mit Feig- und Verschlagenheit. Im austalischen Slang bezeichnet man somit beispielsweise Feiglinge und Betrüger als "Dingos". Auch politische Gegner*innen wurden ab und an mit dem Dingo verglichen. 

Unter den australischen Aborigines spielt der Hund eine andere Rolle. Sie nehmen eine priviligierte Stellung ein und werden mit heiligen Orten, Ritualen oder Charakteren der Traumzeit in Verbindung gebracht. Man glaubt beispielsweise, dass die Hunde das Übernatürliche sehen können und deshalb vor bösen Mächten warnen. Als Mischwesen zwischen Zivilisiertheit und Verwilderung bietet der Dingo großes Geschichts- und Bedeutungspotential. 

Mittlerweile finden sich in vielen wilden Populationen keine reinen Dingos mehr, sondern Mischungen mit Haushunden, welche auf Australien zu Streunern wurden. Insgesamt ist das Verhältnis zwischen Dingos und Menschen stark angespannt, da es durchaus einige Fälle gibt, in denen Dingos vor allem Kindern gefährlich werden. Nicht zuletzt darum werden Dingos bis heute durch den Menschen bekämpft, was ich persönlich sehr traurig finde. Denn die Aggression der Dingos gegenüber Menschen rührt wahrscheinlich aus der Verbindung zum Menschen durch Fütterungen. Bleibt das Futter aus, so häufen sich aggressive Verhaltensweisen. Natürlich ist der Dingo eine Bedrohung für die menschliche Viehzucht, doch ist der Dingo, wie hierzulande der Wolf, Opfer eines absoluten Fehlschlusses: Weil die Raubtiere unseren Haustieren so ähnlich sehen, welche bekanntlich nur einen unterdrückten Jagdtrieb besitzen, wird ihnen in ihrem natürlichen Verhalten schlichtweg Boshaftigkeit unterstellt, statt die natürlichen Verhältnisse und den Wildcharakter der Lebewesen zu berücksichtigen. Die Konsequenz daraus: Bei der Bekämpfung werden weniger Kompromisse gesucht und die Tiere sollen am besten komplett ausgerottet werden. Erst langsam gewöhnen wir uns daran, unser Leben in Einklang mit diesem Teil der Natur zu bringen und auch diese Tiere wieder in ihren ursprünglichen Lebensräumen anzusiedeln. 

Hoffen wir das Beste, dass es uns dieses Mal gelingt, einen Kompromiss zu finden!  

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